Samstag, 24. Januar 2015

Jan Kohlmeyer - Seoul, Südkorea

Name: Jan Kohlmeyer
Zeitraum: 06.08.2014 – 17.02.2015
Ort: Seoul, Südkorea


“Survival of the Fittest“ in der Ubahn


20.12.2014; 12.54 Uhr; Bomun U-Bahn-Station, Seoul:
Neben mir ein freier Platz und die U-Bahn rollt mit donnernder, aber dennoch sanfter Fahrt Richtung Bomun Station. Als die U-Bahn langsam die Zielgerade erreicht und bereits langsamer wird, stehen die Menschen eng aneinander gestaffelt am Ausgang. Die U-Bahn hält, die Türen brechen auf und die Menschen strömen hinaus. Kaum ist der letzte ausgestiegen beginnt der Umkehrschluss. Zwei koreanische Damen mittleren Alters, die eine am linken Eingang, die andere am rechten, voranstürmend in die, bis auf den Platz links von mir, voll besetzte U-Bahn. Somit beginnt, beide gleich weit weg von mir gestartet, das Rennen um den letzten komfortablen Platz.
Die Frau am linken Eingang gewinnt und ergattert den begehrten Platz. Mit einem verschmitzten Lächeln, so scheint es, triumphiert sie über ihre heutige Kontrahentin. Fast, so wirkt es, treffen sich diese Damen jeden Tag in der U-Bahn und führen ihr eigenes kleines “Survival of the Fittest“ durch, in einer mir bis zum 06.08.2014 unbekannten Welt. 

 Südkorea, ein Land schwankend zwischen Moderne und Tradition wie fast kein zweites. LG, Samsun, Hyundai und noch viele andere Multikonzerne sichern durch die Leitung der Chaebol-Familien den wirtschaftlichen Fortschritt und die Zukunft Koreas, aber dominieren den Wirtschaftsmarkt auch, sodass Klein- und Mittelunternehmen deutlich darunter zu leiden haben. Zu solch einer Familie zählt beispielweise auch Cho Hyun Ah, die durch ihre “nut-rage affair“ fragwürdigen Ruhm auf der ganzen Welt erlangt hat. Auf der anderen Seite dominiert in vielen Lebensphasen das Gedankengut des Konfuzianismus den sozialen Alltag auf der koreanischen Südseite der Halbinsel und bewahrt traditionelle Werte. Gerade in der Altersordnung werden diese Lehren auch im Alltag immer wieder deutlich, da jüngere Menschen älteren Respekt zollen müssen.

Somit beginnt meine Geschichte in der Hauptstadt Südkoreas. Seoul, eine Stadt die mit der geographischen Größe Berlins, aber mit der vierfachen Einwohnerzahl, eine der am dicht bevölkertsten Metropolen der Welt darstellt. Eine Welt voller Gegensätze – von modernsten Ideen und Entwicklungen, gerade im Elektrobereich, bis hin zu provisorisch verlegten Stromkabeln wohin das Auge reicht. Eine Welt, in der das Handy allgegenwärtig zu sein scheint und eine ganz neue Dimension von sozialem Status einnimmt. Beim gemeinsamen Abendessen- bzw. abendlichen Soju-Genuß mit Freunden jedoch wird dieses kleine technische Wunderwerk meist – so scheint es – als unsoziales, unhöfliches Mittel gesehen.
In diese faszinierende Welt bin ich am 06.08.2014 vom Frankfurter Flughafen aus in Richtung Seoul, mit Zwischenstopp in Helsinki, aufgebrochen. Auf diesem langen schlaflosen Flug machte ich bereits erste Bekanntschaften mit deutschen Studenten, mit denen ich später mancherlei Ecken in Seoul, wie beispielsweise den Fischmarkt, erkundete.
Nach dem kräftezehrenden Flug wurde ich von einer Freundin, die mit mir im koreanisch Sprachkurs war, abgeholt und von ihr erhielt ich erste Instruktionen die mir für mein zukünftiges halbes Jahr von nutzen sein sollten.
Im Hostel (Auf koreanisch goshiwon 고시원 genannt) angekommen, erwartete mich eine kleine Überraschung in Form eines kleinen Zimmers, so wie ich es vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Kaum größer als Harry Potters Abstellkammer wurde ich in der ersten Nacht untergebracht, da der Verwalter des Hostels meine Buchung für ein großes Zimmer übersehen hatte. (Ich konnte, wenn ich meine Arme ausstreckte, jede Wand berühren wenn ich in der Mitte des Zimmers stand.)


                                            Nach einer ungemütlichen und kurzen Nacht konnte ich endlich in ein größeres Zimmer umziehen, das  immer noch klein, aber zumindest erträglich war.
Danach durchlebte ich nun meinen ersten Monat in dieser aufregenden Stadt, in dem ich mit neu gewonnenen Freunden aus dem Flugzeug, aber auch mit Freunden die mich von Zuhause besuchten, die Stadt erkundete. Wir besichtigten gemeinsam Sehenswürdigkeiten wie den Namsan Tower, von dem man einen wundervollen Blick auf die Stadt genießen kann, den berühmten Fischmarkt in Seoul, oder auch den größten Palast in Seoul, den Gyeongbokgung Palace. Dank der unerträglichen Schwüle, die sich über der Stadt im August erhob, hatte ich zunächst Schwierigkeiten mich an die Stadt zu gewöhnen. Diese dämpfige Luft blieb mir auch bis Ende September erhalten, bis ein wunderschöner Herbst folgte.

Jedenfalls begann dann im September mein Praktikum bei der Hanns-Seidel-Stiftung Korea. Die Hanns-Seidel-Stiftung Korea befasst sich vor allem mit der Thematik einer friedlichen Wiedervereinigung zwischen Süd- und Nordkorea. Die Stiftung verfügt über Partnerschaften und Projekte (Meist Energie- und Umweltprojekte) in Nordkorea und verfügt somit Zugang zu einem der, beziehungsweise dem, mysteriösesten Länder/Land der Welt. Ich erfuhr von der Stiftung bereits in Tübingen durch einen Bekannten der zuvor dort ein Praktikum absolviert hatte und mir dieses weiterempfahl.

Während der Arbeit lernte ich  zwei Praktikanten kennen, mit denen ich die meiste freie Zeit der nächsten zwei Monate verbringen sollte. Zusammen erkundeten wir beispielsweise die DMZ – die berühmte demilitarisierte Zone – den “Todesstreifen“. Berüchtigt als 38er Breitengrad, zwischen dem die zwei einst vereinten Teile Koreas auseinandergerissen wurden. Eigentlich komisch, denn dies war bis zu dieser Zeit hin mein erster Ausflug, um der stickigen Luft Seouls zu entkommen, und gerade an diesem “Todesstreifen“, fühlte ich mich so entspannt wie lange nicht mehr. Der frische Wind wehte einem ins Gesicht und die Natur schlug ihre Wurzeln, in dem seit langer Zeit unberührtem Touristengebiet. Erst als ich an einem Aussichtspunkt über die Klippe schaute und unweit entfernt das Gebiet Nordkorea erblickte wurde mir mulmig zumute.
Meine Hauptaufgabe in der Stiftung befasste sich vor allem mit einem Projekt namens Gobitec, einem Energieprojekt, bei dem nach dem ähnlichen Prinzip von Desertec in der MENA Region, die nordostasiatischen Metropolen mit sauberer, grüner Energie versorgt werden sollen. Dieses Projekt begleitete mich während den folgenden fünfeinhalb Monaten Praktikumszeit und nahm einen Großteil meiner Arbeitszeit in Anspruch. Ich bereitete mich durch intensives Lesen darauf vor, verfasste Artikel, stellte eine lange Bibliographie zusammen und begann mit der Kreierung einer neuen Gobitec-Webseite.  

Mitte September startete dann mein 10-wöchiger Intensivsprachkurs an der Hanyang University. Intensiv trifft es sehr, da ich vormittags arbeitete und im Anschluss täglich vier Stunden lang Sprachkurs hatte. Da die Lehrerin in den vier Stunden kaum ein Wort Englisch sprach, hatte zunächst ich enorme Schwierigkeiten mitzukommen. Somit bestand in den zehn Wochen mein Alltag aus der täglich wiederkehrenden Routine: 8 Uhr morgens aus dem Haus, arbeiten und Sprachkurs, um 7 Uhr abends daheim angekommen, circa zwei Stunden lang Hausaufgaben täglich und im Anschluss noch Berichte schreiben. Somit blieb wenig Zeit für Lernen und Freizeit. Meine wenige freie Zeit nutzte ich für bereits erwähnte Ausflüge oder Fußball zu spielen, mit dem neu kreierten Team aus internationalen Studenten der Hanyang University, welches ich mitorganisierte. Hierbei lernte ich auch einen weiteren guten Freund kennen, mit dem ich vor allem die letzten zwei Monate meine Freizeit verbrachte. 

Durch den Sprachkurs, den ich zum Glück bestanden habe, verbesserte sich mein Koreanisch enorm, jedoch blieb mir das flüssige Sprechen im Alltag immer noch ein Rätsel.
Nach dem Abschluss des Sprachkurses begann ich Vollzeit bei der Hanns-Seidel-Stiftung zu arbeiten und beschäftigte mich neben meinem Projekt meist mit dem Übersetzen von Texten, dem Erstellen von Researchs oder auch der Teilnahme an Konferenzen wie beispielsweise der “Seoul Climate Change Conference“. Zudem war eine der Hauptaufgaben das Sammeln von Zeitungsartikeln zum Thema “Asien Integration“. Dank dieser Tätigkeit vertiefte ich mein Wissen, nicht nur über Korea, sondern über den ganzen asiatischen Raum und mir wurde ein neuer Fokus auf das Weltgeschehen gegeben.

Mein größtes Problem, auf das ich in dieser Zeit stieß, war das Anfreunden mit Koreanern. Da ich über einen langen Zeitraum wenig freie Zeit zur Verfügung hatte, viel es mir schwer Koreaner kennen zu lernen und zu dem fehlte mir anfangs ein bisschen der Mut. Im November hatte ich dann das große Glück das ein neuer koreanischer Englischübersetzer in meiner Stiftung eingestellt wurde, mit dem ich mich sogleich anfreundete und in den letzten drei Monaten viel unternahm. Durch ihn erhielt ich einen tiefen Einblick in die koreanische Mentalität und Denkweise und gleichzeitig vermittelte ich ihm Wissen über Deutschland, da er sehr interessiert an Deutschland ist. Zudem bot sich mir die Möglichkeit Menschen aus ganz Asien kennenzulernen, wie beispielsweise einen Freund auch aus der Mongolei, bei dem ich sogar zum Essen nach Hause eingeladen wurde.

Eines der Dinge die ich wohl am meisten vermissen werde ist, abgesehen von neu gewonnenen Freunden und der bezaubernden Stadt, das koreanische Essen. Zuvor hatte ich so manches über die koreanische Küche gehört, gerade im Bezug auf die Schärfe. Jedoch hat mich das koreanische Essen mit seiner Vielfältigkeit für sich gewonnen.
Der Höhepunkt meines Aufenthaltes stellte ein Trip nach Goseong mit den Praktikanten und Mitarbeitern meiner Stiftung dar. Goseong ist ein Landkreis im nordöstlichsten Teil Koreas, ungefähr 20 Kilometer entfernt zur nordkoreanischen Grenze und angrenzend ans Meer. Die Hanns-Seidel-Stiftung verfügt dort über ein „Wood- and Culture Project“, bei dem bereits ein Naturpfad entstand und derzeit über die Installation von Solarzellen diskutiert wird.  Während dieser Tour erblickten wir


nicht nur wunderschöne und faszinierende Landschaften, sondern lernten die Dorfbewohner von einem kleinen Dorf kennen. In diesem Zusammenhang verdeutlichte sich das Problem der Städteabwanderung der jungen Leute vom Land in die Stadt in aller Deutlichkeit. Der jüngste Bewohner des Dorfes, und gleichzeitig auch der Dorfsprecher, war 54 Jahre alt. Dies ist keine Rarität in Korea, da diese Abwanderung der Jugend in Städte, wie Seoul oder Busan, enorme strukturelle Problem darstellt. Wir wurden durch die Dorfbewohner in aller Herzlichkeit willkommen geheißen und zum Essen eingeladen. Dies fand in einer Art Gemeindehaus statt, in dem wir mit circa 30 von ihnen zusammen auf dem Boden saßen und selbst gemachten Tofu mit “Side-Dishes“ gegessen haben. Ich werde diesen Tag und die Menschen in dem kleinen Gemeindehaus so schnell nicht mehr vergessen.
Somit endet langsam meine faszinierende Zeit in Seoul, die mir so viel für mein zukünftiges Leben mit auf den Weg gegeben hat. Zum einen verstehe ich nun die Welt, in der sich Koreaner befinden, besser und gleichermaßen empfindliche Themen, wie beispielsweise Nordkorea oder die problematische Beziehung von Korea und Japan. Zudem habe ich viel über die koreanische Geschichte, Kultur und den koreanischen Alltag gelernt.
Bald werde ich Seoul mit einem weinenden, aber auch lächelnden Auge verlassen, da ich endlich wieder meine Freundin, Freunde und Familie wiedersehen kann, aber auch gut gewonnene Freunde zurück lassen werde. Zunächst jedoch werde ich mit meiner Freundin, die mich zuerst in Seoul besuchen wird, einen Ausflug auf die Philippinen machen, um den kalten Winter in Seoul aus den Gliedern zu schütteln.
Und möglicherweise führen die Damen aus der U-Bahn, die am Anfang beschrieben wurden, ihren eigenen kleinen Wettkampf fort, bis zu meinem nächsten Besuch in Seoul.







Nicole Turkin - Kerala, Indien


Meine drei Monate in Kerala sind fast vorbei, in 2 Tagen geht es zurück nach Deutschland, höchste Zeit ein Fazit zu ziehen: Vieles lief nicht wie gedacht, doch gerade durch die Zufälle kam es zu besonderen Erlebnissen und Erfahrungen, interessanten Bekanntschaften und auch Freundschaften, sowohl für die Feldforschung als auch persönlich. Zu meinem Forschungsthema stieß ich auch eher zufällig.


Ich machte ein Praktikum im CED, dem Centre for Environment and Development in Thozhuvancode in Thiruvananthapuram, der Hauptstadt des südindischen Bundesstaats Kerala. Eine recht chaotische NGO, allerdings mit entspannten Arbeitszeiten und vielen warmherzigen Mitarbeitern und indischen Studenten, die beim CED an verschiedenen Projekten, hauptsächlich GIS-Projekten, arbeiteten. Diese NGO hat einen Programmbereich namens „Cultural Heritage“ auf den ich mich fokussieren wollte. Als ich allerdings vor Ort war, musste ich feststellen, dass dieser Programmbereich schlichtweg nicht existiert. Was mir vorher leider nicht gesagt wurde, obwohl ich extra für diesen Bereich angefragt hatte. Meine Vorstellung von Praktikum war, die Arbeit im CED zu begleiten. Am ersten Tag wurde mir jedoch klargemacht, dass ich mir ein Thema aussuchen sollte und zu diesem dann selbstständig Forschung betreiben sollte. Meine vorläufige Idee war traditionelle Architektur. Durch einen Einfall von Dr. Thrivikramji kam ich schließlich auf das Thema der Agraharams: Reihenhäusersiedlungen in dem ausschließlich Brahmanen, die vor mehreren Generationen aus Tamil Nadu nach Kerala migriert sind, leben. In Trivandrum selbst gibt es mehrere dieser Siedlungen, auch wenn ein Großteil der ursprünglichen Gebäude modernisiert wurde. Diese Tamil Brahmanen in den Agraharams bilden eine enge Community und feiern alle Feste zusammen. Das enge Zusammenleben lässt jedoch auch wenig Privatsphäre. In diesen Agraharams führte ich Interviews mit den Bewohnern durch, besuchte viele der Häuser, war bei ein paar Festen als teilnehmender Beobachter anwesend und wurde immer wieder von der Offenheit und familären Atmosphäre überrascht. Zudem machte ich eine Reise nach Palakkad und besuchte das berühmte „Kalpathi Ratholsavom“ in dem berühmten Kalpathi-Agraharam, welches als einzige der Agraharams als sogenanntes „Cultural Heritage Village“ seit wenigen Jahren unter Kulturschutz steht. Die Tage in Palakkad kam ich bei einer Bekannten von einem der CED-Professoren unter.

Dr. Thrivikramji war mein zugewiesener Betreuer, der auch mein „local guide“ sein sollte. Eine Aufgabe, die er nicht wirklich erfüllte. Am liebsten schickte er mich zu verschiedenen Bibliotheken, um Literaturrecherche zu betreiben, was sich allerdings als schwierig herausstellt, da es fast keine schriftlichen Dokumente über die Agraharams gibt. Die eigentliche Feldforschung mit Interviews usw. kam nur zustande, da mir andere Arbeitskollegen, Freunde und Freundesfreunde halfen. Nur eben nicht Dr. Thrivikramji, der sich stets geschickt aus allem herauszuhalten versuchte, was zusätzliche Arbeit für ihn bedeutete. Trotz der mangelhaften Unterstützung des CED kam eine gute Feldforschung zustande und ich konnte einiges an Material sammeln. Zudem konnte ich frei auswählen, wann ich ins Büro kommen wollte und wann nicht. Die meiste Zeit meines Praktikum meines Praktikum verbrachte ich daher nicht beim CED, sondern in den Agraharams selbst. Viel Freizeit für Ausflüge usw. blieb daher zum Glück auch. Zum Abschluss des Praktikum musste ich einen Project Report über meine Forschung erstellen und erhielt nach der Abgabe mein Zertifikat über das abgeleistete Praktikum.


Ich werde die Zeit in Trivandrum definitiv vermissen und auch all die Leute, die mir geholfen und mich begleitet haben. Es war insgesamt eine tolle Erfahrung und viel Glück sowie Zufälle waren im Spiel. Die NGO, Centre for Environment and Development, in Trivandrum würde ich jedoch keinem ans Herz legen.