Donnerstag, 29. August 2013

Artur Mordowin - Tbilisi, Georgien

Die Zeit steht still

Ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Neue Aufgaben und Ziele erwarten mich. Am 18.8 bin ich nach etwa 18 Stunden Reisezeit am Flughafen in Tbilisi, der Hauptstadt Georgiens, angekommen. 

Es war vier Uhr nachts/morgens, aber selbst um diese Uhrzeit warteten meine Verwandten auf mich. In meinem neuen Zuhause angekommen, wurde mir ein kleines Zimmer zur Verfügung gestellt, in dem ich ungestört schlafen und arbeiten konnte. Schlafen war wirklich nötig, denn die Reise war nicht ganz einfach. Mein Reisekoffer bestand nur zur Hälfte aus meinen eigenen Sachen, die andere Hälfte war mit Geschenken und nützlichen Dingen für die Verwandten gefüllt. Insgesamt beförderte ich auf meiner Reise 40 Kilogramm Gepäck, bei vorgeschriebenen 20 Kilo, ohne auch nur einen Cent extra zu bezahlen. Dies ist die Kunst, die man lernt, wenn man Verwandte besucht.

In den nächsten zwei Tagen begleitete mich eine innere Ruhe und eine leichte Trauer. Die Ruhe umgab mich, weil mir das Land nicht fremd war, weil ich wusste was mich erwartete und weil ich alles geplant hatte. Kein Schock oder Beben rüttelte an mir, aber auch die große Aufregung, das Gefühl etwas vollkommen Neues zu beginnen, blieb aus. Ich packte meine wenigen Sachen aus und verteilte die wichtigen Mitbringsel. Ich stellte zugleich einige Mindmaps und Planskizzen auf, um meine Ziele und Ideen im Auge zu behalten. Die restliche Zeit verbrachte ich mit lesen, schlafen und essen. Los geht’s! Aber langsam, denn ich habe Zeit.

Am ersten Tag wurden mir alle frischen georgischen Lebensmittel auf den Tisch gestellt. Das
Fladenbrot-Boat mit Käse, Butter und Ey
Beste was die Jahreszeit hergab. Ob aromatische Tomaten, kräftige Gurken oder das fantastische Fladenbrot, alles schmeckte ausgezeichnet. In den nächsten Tagen probierte ich die Früchte des Sommers, die ein anderes Leben kannten, als unsere kalten, in Plastik verpackten Supermarktprodukte. Wassermelonen, die so süß waren, dass sie beim Aufschneiden platzten.
Pfirsiche deren frischer Duft bereits aus weiter Entfernung die Nase verführte und Weintrauben in unzähligen Sorten. In Georgien führt jeder „gute“ Haushalt eigene Rebstöcke und ermöglicht sogleich eine Vielzahl an Weinsorten. Der hergestellte Wein ist schließlich das zweite Blut Georgiens. Mein persönliches Highlight bilden die verschiedenen Käse- und Bohnentaschen. Die in eigenartigen Variationen, mal rund mal viereckig, den Hunger hervor locken und den Magen für einen halben Tag füllen.

Das gute Essen ist wichtig, wenn man sich in der Hitze des Tages in der Stadt bewegt. Um die Mittagszeit erreichen die Temperaturen an die 35°C und die Stadt erstickt in Verkehr und Staub. Ich vertrug die Hitze unbeschwert und machte mich auf, die alten und versteckten Winkel Tbilisis zu entdecken. Egal ob mit der U-Bahn oder dem (Klein)Bus, die georgische Fahrweise bleibt hektisch und für mich ein chaotisches Rätsel. In den Tagen darauf erkundete ich die Stadt. Dabei verließ ich die oft prunkvollen und angeberischen Einkaufsalleen, die zu überteuerten Preisen Wohlhabenden und Touristen die „exklusiven“ Schätze Georgiens anboten, und suchte die Parallelstraßen mit ihren sowjetischen Altbauten auf. Vielleicht sind diese verfallenen Häuser für die Bewohner nur eine unbequeme Hütte, für mich sind die verflochtenen und rissigen Balkone in der Abendsonne Georgiens ein herrliches Fotomotiv. Später bestieg ich den Hügel der Königin Tamara und ließ die Stadt vor meinen Füßen im goldenen Glanz der Spätsommersonne zerfließen.

Weil russisch meine zweite Muttersprache, fiel es mir sprachlich nicht besonders schwer mit anderen Menschen zu kommunizieren. Dennoch gebe ich mir jeden Tag Mühe, die georgische Sprache zu lernen und nun ja, zu lernen. Welch ein Glück, dass ich Lehrbücher mitgenommen habe. Die Sprache ist ein wirkliches Unikat. Ihre Schrift und ihre Aussprache, bei der manche Laute einem verschluckten Fischknochen ähneln, machen sie weltweit unvergleichbar. Mit jedem Tag an Übung fällt es mir leichter, georgisch zu lesen und die Wörter zu erkennen.Die Sprachfähigkeiten nutze ich um mit meinen Verwandten oder Freunden zu kommunizieren. In meiner Situation kann es leicht passieren, dass man sich sozial isoliert. Besonders weil ich noch kaum Kontakte zur Universität, dem Sprachkurs oder dem Sportverein habe – all dies beginnt erst Ende September. Dennoch versuche ich bei allen Aktivitäten meiner Verwandten
Kurze Lernunterbrechung
und Freunde dabei zu sein. Ein Beispiel dafür: Am ersten Tag waren meinen Cousin und ich abends unterwegs. Wir gesellten uns zu einer Gruppe von Männern die in der Nachbarschaft wohnten und tranken Bier bei bunten Gesprächen über deutsche Autos und die Syrien-Krise. Ich erfasste einige Beziehungsgeflechte zwischen den Nachbarn und konnte sogar Konfliktfälle deuten. Früher hätte ich vermutlich nur wenig Bewusstsein für solche Strukturen gehabt.Hin und wieder komme ich auf mein Studienprojekt zu sprechen und entdecke viele neue Möglichkeiten und Informationen dazu. Noch bin ich in der Planungsphase und völlig offen in welche Richtung meine Fragen zielen sollen. Glücklicherweise kommen die besten Ideen zufällig. Bald werde ich für die Fragen und Antworten des Projektes auf Reisen gehen und bestimmte Orte Georgiens besuchen. Unterstützung finde ich später hoffentlich von den georgischen Ethnologen.


Artur Mordowin

Freitag, 23. August 2013

Merle-Marei Lage - Pondicherry, Indien

Auslandsaufenthalt in Indien vom 27.07.2013 bis zum 25.12.2013:
Tamil- Sprachkurs in Pondicherry

"Incredible India"


Bereits im Flugzeug beim Ausfüllen des Einreiseformulars fällt einem diese Phrase auf. Je länger ich nun in Indien bin, desto mehr bemerke ich, wie viel Wahrheit in dieser Phrase steckt; Indien ist einfach ein unglaubliches Land. Der Aufenthalt ist eigentlich kaum zu beschreiben, ihr müsst es selbst erleben! 

Natürlich ist es, wie so häufig berichtet laut, heiß, voll, farbenträchtig, chaotisch, dreckig, viele Kühe und Hunde, aber doch alles auf eine sympathische Art und Weise wie sie kaum zu beschreiben ist. Am 28.07.2013 bin ich in Chennai, Tamil Nadu, gelandet. Ich hatte bereits 24 Stunden nicht geschlafen und war dann doch geschockt, als ich aus dem Flughafen kam. Für einen kurzen Moment fühlte ich mich schrecklich alleine, hilflos und komplett überfordert. Ein Glück war ich nicht allein und so haben Robin und ich beschlossen, ein Taxi von Chennai nach Pondicherry zu nehmen, um sich auf der 4-stündigen Fahrt an die neuen Eindrücke zu gewöhnen. Bereits nach 5 Minuten Taxifahrt wechselte die Todesangst, die der Straßenverkehr und der Fahrstil der Beteiligten hervorriefen, in eine Gelassenheit und Sympathie  gegenüber dem Straßenverkehr. Als wir in der Wohnung angekommen sind, erwartete uns der nächste Schock. Es wohnten noch zwei Männer in der Wohnung. Diese schien das aber nicht zu stören. Innerhalb von 5 Minuten haben sie ihre Sachen gepackt und waren verschwunden. Die Wohnung wurde
kurz gezeigt, es wurde demonstriert, dass alle Ventilatoren und die Klimaanlage funktionierten, die Schlüssel wurden übergeben und Schwups war man stolzer Mieter einer Drei-Zimmer-Wohnung in Pondicherry. Doch dieser Stolz verflog schnell: Bereits am Montag (29.07.13) kamen wir nicht mehr in die Wohnung rein. Der Schlüssel wollte sich einfach nicht mehr umdrehen lassen. Nachdem es unser Nachbar, der netterweise seine Hilfe angeboten hatte,  sogar mit Öl nicht schaffte, riefen wir unseren Makler an, der wiederum unseren Vermieter Bescheid gab. Zwei Stunden später war die Tür auf - jedoch hatten wir bis Freitag kein Schloss mehr. Dazu kamen noch diverse Stromausfälle und an vielen Morgen hatten wir kein Wasser (d.h. auch keine Duschmöglichkeit oder Klospülung). Dafür hatten wir eines Abends einen Wasserfall im Treppenhaus; dank des Monsuns. Die Frage, wo denn eigentlich der Hausmüll hingebracht wird, wurde auch bald von unseren freundlichen Nachbarn beantwortet. Gleich neben dem Haus auf der Straße ist ein Müllhaufen, dieser wird einmal pro Woche auf einen Laster geladen und weggebracht. Und somit gilt selbst hier der Satz „Ich bring mal eben den Müll runter“.
Gleich am Montag (29.07.13) begann der Sprachkurs beim 
Pondicherry Institut of Linguistic and Culture. Kurz wird der
Sprachkurs auch nur der „666 Sprachkurs“ genannt: 6 Stunden
pro Tag, 6 Tage proWoche und 6 Wochen lang. Das Institut ist
schön und recht nah an unserer Wohnung. Der Unterricht ist
interessant und gut, aber auch recht anstrengend. Bis jetzt hat 
es noch niemand aus unserer kleinen Gruppen von 4 Leuten im
Fortgeschrittenenkurs (inklusive mir) und 5 Leuten im 
Anfängerkurs geschafft, die 6 Std am Tag 6 Tage lang
durchzuhalten. Somit ist der Sprachkurs sehr Zeitaufwändig.
Trotz allem  waren wir schon beim Schneider , um uns Churidar`s
und Hemden schneidern zu lassen, zwei Tempel und ein Museum zu besichtigen.

Am Donnerstag (15.07.2013) war in Indien Independence Day und somit hatten wir vier Tage frei. Diese Zeit haben wir genutzt, um mit dem Auto nach Chidambaram, Thanjavur,
Thanjavur
Rameswaram und Dhanushkodi zu fahren. Das Auto wurde uns von einem Freund geliehen und so ging es zu sechst 900 km durch Tamil Nadu in einen Fiat mit 5 Sitzen.Dieser Road Trip war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Kilometer um Kilometer durch das ländliche Indien ist kaum in Worte zu fassen. Überall gibt es etwas zu sehen, die Straßen sind entweder leer oder voll, ständig weckt einen eine Vollbremsung aus dem Dämmerzustand. Der Grund hierfür ist einfach: eine Kuh, ein Hund, ein Ziege, ein Schlagloch, kleine Hügelchen, um die Geschwindigkeit zu
bremsen, Menschen, Laster, Ochsenwagen oder eben nachts, wenn
Dhanuskhodi
mal wieder jemand ohne Licht fährt. Das Schönste auf dieser kleinen Reise war Dhanuskodi. Das ist der Punkt der am nächsten zu Sri Lanka ist. Bei gutem Wetter kann man sogar Sri Lanka sehen. Nun bin ich wieder in Pondicherry und die letzten drei Wochen Sprachkurs gehen weiter.Ich bin sehr gespannt, was mich in diesen drei Wochen noch erwarten wird, hier weiß man das schließlich nie. That´s India :-)